Jenseits von Mickey Mouse und Tim & Struppi

Kunst-Comics im ehemaligen Gesundheitsamt - Ausstellung von zeitraum_ex!t in L1,1

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Rhein-Neckar-Zeitung

Eine Ausstellung mit Comics? Das ist nicht gerade das, was man normalerweise als Ausstellungsobjekt erwartet. Doch wer dabei an Micky Maus oder Tim & Struppi denkt, der wird enttäuscht. Denn in dieser Ausstellung wird die Comic-Zeichnung lediglich als stilistisches Mittel verwendet, als „künstlerisches Medium zur bildhaften Umsetzung des Gesehenen“.

„Reportage-Comics“, so heißt das neue Ausstellungsprojekt des Künstlerhauses „zeitraum_ex!t“ in Mannheim, das mit seinem jährlichen Festival, welches seit 2004 den Namen „Wunder der Prärie“ trägt, schon vielen international bekannten Künstlern eine Plattform bot.

Gezeigt werden knapp zwei Monate lang in den leeren Räumen des ehemaligen Gesundheitsamtes Mannheim in L1, 1 Zeichnungen, Animationen sowie diverse Skizzen aus Reisetagebüchern der aus Deutschland und der Schweiz stammenden Künstler Pierre Thomé, Yves Noyau, Ulli Lust, Oliver Grajewski und Kai Pfeiffer.

Die Arbeit der Künstler zeigen, dass Comics, die oft lediglich durch ihre kommerziellen Varianten bekannt sind, viel mehr sein können als nur Unterhaltung. Beispielsweise die „Comic-Reportage“ von Ulli Lust, die reale Menschen in Halle-Neustadt zum Thema Auswanderung von Ost- nach West-Deutschland befragte und danach ihre Eindrücke dokumentarisch einem „klassischen“ Comicstrip mit aufeinander folgenden Zeichnungen und dazugehörigem Text umsetzte.

Ganz anders Kai Pfeiffers Flash-Animation „Wien: Im Kaffehaus – Bericht einer Reise im Sitzen“, die dem Betrachter nur Fragmente von Pfeiffers Eindrücken bietet und die (ohne Text) mit kaffeehaustypischen Geräuschen untermalt wird. Oder Oliver Grajewskis tagebuchartige Aufzeichnungen, die durch einen, nicht gleich auf den ersten Blick erkennbaren Sarkasmus bestechen und den Betrachter erstaunen, indem beispielsweise eine Palme des ersten Bildes schon mal zum Seitenrand des übernächsten mutiert.

Jeder der hier ausgestellten Künstler hat einen eigenen Schwerpunkt und einen ganz individuellen Blick auf seine Umwelt, die er reflektiert und dokumentiert und gerade das macht auch den Reiz der Ausstellung aus. Tilo Schwarz, der Kurator der Ausstellung, hat die Werke trotz der provisorisch anmutenden Umgebung, die ihren ganz eigenen Charme ausstrahlt, gut in Szene gesetzt. Doch es bleibt zu hoffen, dass die neuen Räumlichkeiten von „zeitraum_ex!t“, die wohl erst im Frühjahr nächsten Jahres bezogen werden können, mehr Platz bieten für weitere Grenzgebiete eines Genres.
Johanna Klosinski

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