Lichtgestalten in Jogginghosen

Alles nur geklaut: Das Berliner Rap Duo Audio 88 & Yassin beim Festival "Supercopy" in Mannheim

Zeitung

Die Rheinpfalz

Mit einem ambitionierten Programm und relevanten Fragestellungen feierte das „Supercopy“-Festival in Mannheim sein Debüt. Der Samstagabend brachte mit Audio 88 & Yassin zwei Lichtgestalten des aktuellen deutschen Hip-Hop in die Alte Feuerwache.

Das Thema von „Supercopy“, mit dem erstmals das Festivalprogramm der Region bereichert worden ist, mag auf den ersten Blick etwas spezifisch wirken. Viele Kunstinteressierte werden sich unter dem Begriff der „Samplingkultur“ nicht viel vorstellen können. Und dennoch: Kaum ein anderes Leitthema könnte für eine ambitionierte Musikstadt wie Mannheim relevanter und spannender sein. Denn die Fragen, die das Festival bei seinen Konzerten, Vorträgen und Performances stellt, sind schlichtweg die großen Fragezeichen und Unsicherheiten der populären Musikkultur in Zeiten digitalen Wandels.
„Sampling“, das ist erst einmal der Gebrauch bereits bestehender Aufnahmen im eigenen musikalischen Werk. Im besten Falle erfolgt dabei eine kreative Aneignung und Bearbeitung des Ausgangsmaterials, die im besten Sinne von Interkontextualität dem bereits Bekannten eine völlig neue musikalische Bedeutung zuweist. Gerade für die Entwicklung des Hip-Hop kann die Bedeutung der immer kunstvoller werdenden Samplingkultur gar nicht überschätzt werden. Hier bedienten sich legendäre Produzenten vor allem bei klassischen Soulplatten, aber auch bei obskursten Raritäten der Popgeschichte, um „Beats“ zu basteln, die mittlerweile selbst zum Kanon der Populärkultur zählen.

Es gehört zu den Errungenschaften des Pop, dass er manch überkommener kulturbürgerlicher Fragestellung zu Kunst und Kultur die Grundlage entzogen hat. Man muss sich daher bei einem Festival zur Samplingkultur nicht mehr mit Fragen zum Produktionsprozess von Musik anhand starrer ästhetischer Kriterien auseinandersetzen. Vielmehr geht es darum zu erklären, was eigentlich geistiges Eigentum ist und wie die Kunst mit den Werken Anderer umzugehen hat. In Zeiten illegaler Downloads und der Abwanderung der Hörer zu Streamingdiensten wie Spotify, die sich für Künstler als nicht annähernd so lukrativ wie Plattenverkäufe herausgestellt haben, sind das für die Musikindustrie nicht nur theoretische, sondern ganz existenzielle Probleme. Nicht umsonst mehrten sich zuletzt die öffentlichkeitswirksam inszenierten und millionenschweren Prozesse zum Urheberrecht.

Weniger über die wirtschaftliche als über die kreative Seite des Sampling wollte der Musikjournalist und DJ Falk Schacht bei einem Podiumsgespräch mit dem israelischen Künstler Kutiman in der Alten Feuerwache diskutieren. Der hatte mit seinem Projekt „Trough You“ eines der eindrucksvollsten Werke zum immer grenzenloser werdenden Spiel mit dem Bild- und Tonfundus des Internet abgeliefert. Da Kutiman krankheitsbedingt nicht anreisen konnte, entfiel dieser eigentliche Programmhöhepunkt und wich einer Lektion in Sachen deutschem Hip-Hop. Schacht hatte kurzerhand das Rap-Duo Audio 88 & Yassin aus der Hauptstadt mitgebracht.
Die beiden Berliner Künstler zählen im bisweilen recht anstrengenden deutschen Hip-Hop-Zirkus zu den Lichtgestalten. Da wimmelte es in letzter Zeit vor allem von Sexisten, prahlenden Proleten und gerne auch mal Deutschnationalen. Yassin und Audio 88 sind dabei so etwas wie die mit scharfer Ironie und Zynismus spielenden Studentenrapper mit genügend Schimpfwörtern und Jogginghosen-Attitude, um den im Hip-Hop so gerne vollzogenen Kredibilitätstest zu überstehen.

Es mag am schönen Frühlingsabend und der damit nicht wirklich gut besuchten Feuerwache oder auch an der etwas schwachbrüstigen Soundanlage gelegen haben, dass der Auftritt der beiden dann aber letztlich doch nicht so wirklich zünden wollte.

Alexander Graf