Nachwuchs in Bestform

Zeitung

Mannheimer Morgen

Mechanisch sind die Bewegungen, nur gebrochen platzen Wortfetzen zwischen den Lippen hervor: „Die Kleinbürgerhochzeit“ beginnt gemeinhin im steifen Korsett gesellschaftlicher Konventionen. Doch die Stimmung ist gut – hier werden Anekdoten erzählt. Zum Auftakt des zweiten Tages von „Frisch eingetroffen“ dekonstruierte Regisseurin Carolin Millner Brechts Einakter über bürgerliche Moralvorstellungen im Zeitraumexit in Mannheim.
Auf einem überdimensioniert karierten Papierbogen zeichnet eine idealbesetzte Sidonie von Krosigk schematisch die Sitzordnung als lebensgroßes Spielbrett der Eitelkeiten, worauf sie herrlich komisch in distanzierter Haltung sämtliche Rollen bekleidet. Enorm verkrampft gibt sie zunächst die entstellte Hochzeitsgesellschaft, mischt unterschwellige Aggressionen subversiv ins belanglose Tischgespräch, um auf dem Gipfel der Fallhöhe mit steigendem Alkoholpegel in totales Chaos zu stürzen. Reich an Brechts scharfsinnigem Spott, markiert die präzise Inszenierung zweifellos einen Höhepunkt des Festivals.
Gelungenes Theaterfest
Ungleich intimer gestalteten indes Lisa Rykena und Philipp van der Heijden ihr Pas de deux „Before we continue please turn off the lights darling“. Die tänzerische Auseinandersetzung mit dem Zwischenmenschlichen gerät wohl wenig originell, vermag aber gerade im verschämten Auseinandergehen manch ironisches Bild zu finden.
Durch entwaffnende Präsenz überzeugt dagegen Branko Miliskovic. Sein Solo „The Song of a Soldier on Watch“ kreiert zwischen zermürbendem Kriegsgetöse und Lale Andersons „Lili Marleen“ eine zwiespältige Kunstfigur, die Dank minimaler Gestik und wohldosierter Mimik Bedeutsamkeit erlangt – und doch keine Botschaft zu senden versteht. Dem gelungenen Theaterfest tut das aber keinen Abbruch. Fernab vom funktionalen Stadttheater-Einerlei zeigte das Künstlerhaus einen erfrischenden Einblick in die Darstellende Kunst der Gegenwart. /db