Von Eulen, Hasen und Papageien

Performance-Künstler arbeitet mit hör- und sprachgeschädigten Kindern

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Brüllen wie ein Löwe, laufen wie eine Gazelle, sehen wie ein Adler – es gibt viele Vergleiche, die Mensch und Tier verbinden. Darauf baut die Performance „Wie die Tiere“ auf. Elf Schüler der Hermann-Guzmann-Schule für hör- und sprachgeschädigte Kinder und Jugendliche erarbeiten diese gerade mit Performance-Künstler Wolfgang Sautermeister im Künstlerhaus zeitraumexit im Jungbusch.
Die Kinder stehen in einer Reihe, ein Junge hält eine ausgestopfte Eule über seinem Kopf, ein Mädchen knuddelt einen Stoffhund. Das Licht ist stark gedimmt, Vogelgezwitscher ist zu hören. Dann kommt ein Junge mit einem Gewehr. Ein Jäger? Doch er marschiert wie ein Soldat und salutiert. Er zielt, dann fällt ein Schuss. Natur ist nicht nur Idylle, sondern auch Tod. So könnte der erste Teil der circa einstündigen Performance interpretiert werden.
Seit September proben die Schüler mit Sautermeister und Videokünstlerin Silvia Szabó eine Performance, in der sich die Jugendlichen mit der Tierwelt auseinandersetzen. Das Kunstprojekt soll den Schülern die Möglichkeit geben, sich, ihren Körper und ihre Leistungsfähigkeit neu zu erfahren und mehr Selbstvertrauen zu gewinnen. „Performance bietet sich für ein Projekt der kulturellen Bildung besonders an“, ist Sautermeister überzeugt. „Der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt, es gibt keine Regeln.“
Bei regelmäßigen Besuchen in der Schule begann die Feinarbeit an dem inklusiven Projekt, an dem elf Schüler aus den Klassenstufen 6 und 7 teilnehmen. Der Großteil hat eine Sprachbeeinträchtigung. „Die Kinder haben keine Sprachfehler“, erklärt Lehrerin Melanie Bauer. „Manche haben Probleme bei der Satzbildung, andere mit dem Wortschatz.“ Eine Schülerin trägt etwa ein Hörgerät.
Seit September finden die Proben im zeitraumexit statt – es ist bereits das vierte Projekt dieser Art. Für die Jugendlichen ist es eine vollkommen neue Erfahrung auf einer richtigen Bühne zu stehen, Teil der Künstlerwelt zu sein. „Es macht mir viel Spaß“, sagt der zwölfjährige Heiko, dem besonders sein Tier gefällt, die Eule. Dabei sind die Proben durchaus anstrengend. „Die Jugendlichen müssen konzentriert arbeiten, lernen mit Kritik umzugehen“, betont Sautermeister. „Das sind auch wichtige Erfahrungen für das reale Leben.“ Das Tierische im Menschen ergründen die Schüler in ihrer Performance. „Sie verwandeln sich in Tiere, imitieren ihre Bewegungen, ihre Laute, ihre Art der Kommunikation“, erklärt der Künstler, von dem die Idee stammt. „Wie die Tiere“ ist kein zusammenhängendes Stück, sondern ein Kaleidoskop an Bildern, die eine große Ähnlichkeit mit Traumsequenzen haben. In der Mitte kommt ein Videoeinspieler, den Silvia Szabó mit den Kindern in der Schule und im nahe gelegenen Wald gedreht hat. Besonders beeindruckend ist eine Szene in der Juan (13) spontan anfängt „When The Lion Sleeps Tonight“ anzustimmen. „Das hat mich total umgehauen“, erinnert sich Szabó.
Elementar in der Performance sind die Improvisationselemente. Die Schüler haben die Abläufe und die einzelnen Sequenzen selbst in der Hand. Zum Beispiel wenn sie die Tiere imitieren. Der Spaß ist ihnen anzusehen. So mancher, der zurückhaltend war, übernimmt jetzt wichtige Funktionen. „Die Schüler sind stolz, was sie erreicht haben“, erklärt Melanie Bauer, ebenfalls stolz: „Sie sind alle so diszipliniert und eifrig bei der Sache. Es ist schön, die Schüler von dieser Seite zu sehen.“ Besonders groß ist die Freude, wenn sie sich mit roter Farbe anmalen dürfen. „Das gefällt uns am besten“, sind sich Heiko und Juan einig.
Wolfgang Sautermeister ist ebenfalls zufrieden: „Natürlich ist das alles in relativ kurzer Zeit entstanden“, sagt er. „Doch es ist faszinierend, die Entwicklung bei den Jugendlichen zu beobachten. Was sie erreicht haben, werden sie wahrscheinlich erst richtig realisieren, wenn sie den Applaus hören.“
Olivia Kaiser

„Wie die Tiere“ wird am 12. und 13. Dezember, jeweils um 20 Uhr im Künstlerhaus zeitraumexit, Hafenstraße 68, gezeigt.