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Erstes Mannheimer Festival der Samplingkultur: "Supercopy" mit Ausstellung zu Medienkunst eröffnet

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Die Rheinpfalz

Antworten gibt es keine. Aber eine Menge Denkstoff für den, der sich Zeit nimmt und die eigene Idee von Kopie und geistigem Eigentum überdenkt. Die Ausstellung „Everything is a Remix“ im Künstlerhaus Zeitraumexit ist Teil von „Supercopy“, dem Mannheimer Festival der Samplingkultur. Ein Rundgang mit Künstlern.

Es ist Brokkoli, ein Kopf grünes, gesundes Gemüse auf einem Pappkarton. Deshalb: Ein Gespräch mit Johanna Baumgärtel. Über Brokkoli. Und das in einer Ausstellung für Medienkunst. Fast entschuldigend sagt die Mannheimer Performance-Künstlerin, dass sich dabei nichts bewegt, nichts blinkt und überhaupt keine Technik im Spiel ist. In der Ausstellung „Everything is a Remix“ ist ihr Exponat „Der Brokkoli-Fall“ tatsächlich eine stille Besonderheit zwischen den laufenden Bildern und vielen Geräuschen. Doch es passt ins Konzept, wie alle Exponate dieser sehr kleinen aber gelungenen Schau.

Die Medien stehen hier weniger für sich selbst als schön oder funktional. Stattdessen stellen sie dem Betrachter Fragen: zu Eigentum, zu Original und Kopie und dem stätigen Kratzen an der Illegalität. Es geht um die Neukombination von Bestehendem und darum, wie es manchmal ausreicht, eine scheinbare Kopie in einen anderen Kontext zu setzen. Schon wechselt die Aussage.

Baumgärtels Brokkoli zeigt die Grenzen dieser Neukombination. Die Schöpfungskette unterbricht in diesem Fall die EU. Erst vor wenigen Wochen hat sie bestätigt, dass Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen erlaubt sind. Auch betroffen: Brokkoli. Kein Remixing mehr auf dem Gemüseacker, weshalb sich die Mannheimer Performance-Künstlerin nun fragt: Wieviel geistiges Eigentum steckt hinter einer Pflanze? Auch aus anderen Arbeiten bei Zeitraumexit spricht die Frage danach, wann Regulierungen in Absurdität übergeht und wie lange sie sich in sinnvollen Grenzen bewegt.
An den Video-Reglern von Swen Seyerleins Installation kann das jeder Besucher selbst testen. Als VJ – also ein DJ, der sich mit dem Visuellen beschäftigt – ist der Stuttgarter „ständig auf der Suche“ nach neuen Videos, wie er im Gespräch vor Ort erzählt. Bei den Mischungen von Bewegtbild kommt geschütztes Material mit freier Grafik in Berührung. „Ab wann ist das, was neu entsteht, geklaut?“, fragt auch Benjamin Jantzen, Kurator der vom „Verein für visuelle Kunst und Jetztkultur“ organisierten Ausstellung. Eine Antwort geben kann und will er nicht. Es ist ein individuelles Wahrnehmen, eine Erfahrung, die jeder bei Zeitraumexit selbst macht.

Technologie, das vermeintlich so perfekte Digitale, kann Fehler bergen. Eine Aussage, mit der das Künstlerkollektiv Laytbeuis spielt. In Mannheim zeigen sie „2134_wake_me_up“. Grundlage ist die Tonspur einer abgenutzten CD, angeknackst, die Musik hängt. In Kombination mit Video eine Darstellung von Zerfall und Zufall. Auch ein bisschen Sinnlichkeit, wie Sascha Jungbauer, einer der Macher, anmerkt. Er spricht davon, dass sich Technik verselbstständigt, geradezu lebendig wird. „Wie verhält man sich dazu?“, sagt Kollege Felix Buchholz und gibt die Frage an die Besucher weiter. Wieder einer Frage.
„Everything is a Remix“ ist eine kleine Ausstellung. Der Rundgang durch den karg gepflasterten Saal im Künstlerhaus lohnt sich. Nicht, um sich mit Schönem berieseln zu lassen oder mal eben ein bisschen Video zu gucken. Aber um Sampling und Neu-Kreation auf alternative Weise zu entdecken. Und das geht sogar mit Gemüse.

Rebekka Sambale