Die Seele freigelegt

Tian Rotteveel bei zeitraumexit in Mannheim

Zeitung

Mannheimer Morgen

Zusammengekauert, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, übermannt Tian Rotteveel auf der Kubus-Bühne im Zeitraumexit aus dem Nichts ein merkwürdiger Aktionismus. Zu eingängigen Soulklängen wollen sich zuerst seine linke Hand, dann der ganze Arm recken, der rechte folgt, und bald zwingt ihn die unheimliche Kraft, aufzustehen - doch wie? Im Rahmen der Jahrestagung der Dramaturgischen Gesellschaft in Mannheim war der gebürtige Niederländer auf Einladung des Netzwerks "Freie Radikale" mit seiner Tanzperformance "Soulsqueezing" zu Gast.
Es gäbe so viele Wege, sich zu erheben, zögert der verdreht am Boden Liegende, ein Vorhaben, das gut überlegt sein wolle. Er windet und quält sich, erörtert mikrofonverstärkt einige Wahlmöglichkeiten, um letztlich einfach nur aufzustehen. Dabei wird seine Stimme durch einen Klangfilter gepresst, der die vermeintlich belanglosen Gedankengänge vor dem Hintergrund des unaufdringlichen Beats allmählich zu Gesang verdichtet. Und das ist wahrhaft komisch. Denn aus scheinbar unkoordinierten Bewegungen und Selbstgesprächen formuliert der Komponist und Choreograph einen gleichsam gefälligen wie bühnentauglichen "Literal Video-Clip" - ganz ohne Leinwand und Projektor.

Überraschendes Ende

Allein das Zusammenspiel von Stimme und Körper trägt, führt Soulmusik, gar die gesamten darstellenden Künste, liebevoll ad absurdum und macht mit seiner entwaffnend simplen Struktur ganze ontologische Diskurse auf. Wenn sich der Performer etwa über den Boden wundert, in der Wand einen beschützenden Bruder findet oder in handgreifliche Auseinandersetzung mit einem Lautsprecher gerät. Nach langem Ringen sollte allerdings das Ding den Sieg davontragen und den Bruch in der bis dahin famosen Darbietung markieren. Rotteveel konnte nicht widerstehen, seine Arbeit zu abstrahieren, und endet, nun von einem schroffen Loop begleitet, bei bloßer Geräuschproduktion. Das geht leider nicht auf, die herbeigesehnte Pointe bleibt aus.  Dennis Baranski