"Ich wollte diese Aufnahmen einfach haben"

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Die Ausstellung “Restwert” von Dietmar Eckell in den Räumen von Zeitraumexit und Strümpfe – The Supper Artclub ist für kunstinteressierte Menschen ein Muss. Denn Dietmar Eckell ist ein romantischer Ästhetiker oder ein ästhetischer Romantiker – das kann sich jeder selbst aussuchen. Er selbst sagt: “Ich bin Landschaftsfotograf.” Hinter jedem seiner atemberaubenden Fotos steht eine “Story”. Und der Wille, dieses Foto machen zu müssen – mit einem enormen Aufwand. Die Fotos sind einzigartig, weil die Motive es sind. Und ihre Geschichte. Dietmar Eckell ist dafür bislang drei Mal um die Welt gereist und er plant weitere Runden.

Diese Fotokunstwerke sind ein absolutes Erlebnis – weil man beim Betrachten in die Fotos hineingezogen wird. „Happy End“ zeigt 15 abgestürzte Flugzeuge irgendwo auf der Welt. In „lost spaces“. Fernab der Zivilisation. Mitten in der Natur. Katastrophen, die glimpflich endeten – denn alle Menschen überlebten den jeweiligen Absturz. Deswegen heißt die Reihe „Happy End“.

Das Aluminium glänzt
Die Flugzeuge liegen abgelegen – und nur deswegen liegen sie noch dort. Das Aluminium glänzt. Es rostet nicht und wird von der Natur im Laufe der Jahreszeiten immer wieder schön poliert. Manche Flieger sind komplett, andere ausgenommen, abgebaut. Die entscheidende Frage ist die nach dem Restwert: Lohnt sich die Demontage oder nicht? Ist der Preis, den man verdienen kann höher als der Aufwand, den man betreiben muss? Oft ist das so, manchmal nicht. Die meisten Flugzeuge liegen einfach da, mit ihrer Geschichte, andere sind abgebaut und ausgeräubert – eine andere Geschichte.
Dietmar Eckell ist ein “Preis-Experte” – über viele Jahre hat er für Henkel gearbeitet. Der studierte Diplom-Kaufmann ist Marketing-Fachmann. Erfolgreich. Die Firma schickt ihn nach Kalifornien und später nach Bangkok – dort ist er General-Manager, macht die Märkte in Südostasien profitabel. 2010 kündigt er: „Ich habe hart gearbeitet, gutes Geld verdient, aber ich wollte mein Ding machen.“ Nach dem Abitur 1987 hatte er sich erstmal in die Wüste verabschiedet – ab in die Sahara mit einer Yamaha XT-500. Diesem Kultmotorrad, der Urmutter aller Off-road-Maschinen. Dann haben wir unseren Kontakt verloren.

Kopf und Disziplin
2010 finden wir wieder zueinander – auf Facebook. 2013 erfahre ich von seinem Projekt. Und bin fasziniert. Plötzlich ist der “Didi”, den ich von früher kenne, wieder in meinem Leben. Ein Perfektionist. Ein kommunikativer Einzelgänger. Einer, der durchzieht, was er sich in den Kopf setzt. Einer, der irgendwie sehr speziell ist. Einer, der schon immer auffallen wollte und sich dann entzogen hat. Einer, der irgendwie ein verrückter Typ ist. Aber einer, der überzeugt, weil er bei allem, was er macht, seinen Kopf einsetzt und das, was er macht, Hand und Fuß hat. Zurecht gerückt ist. Und einer, der seine Sachen zu Ende bringt. CNN, Zeit Magazin und andere berichteten schon über ihn und seine Arbeit: „Ohne Internet wäre das alles nicht möglich – das Internet eröffnete unglaubliche Möglichkeiten und hat eine unglaubliche Kraft“.
Ohne Kopf und Disziplin wären diese enormen Reisen in abgelegensten Regionen der Welt ebenfalls nicht möglich. Und auch nicht ohne den Willen, sich physisch Herausforderungen zu stellen. Lange Märsche, mit der Machete durch den Busch, mit allem, was Räder hat off-road unterwegs zu sein oder auch in die Luft abzuheben, egal ob “optisch” mit einem Oktokopter oder einem Paramotor – bei einem seiner Ausflüge stürzte er ab, brach sich das Bein: „Das war blöd, weil es kein Netz für das Mobile gab. Ich bin dann zum Auto zurück gerobbt.“ Er musste operiert werden. “Ich hätte auch richtig schwer verletzt sein können, ich hatte Glück.”

Landschaftsfotograf
Sich selbst bezeichnet er als “Landschaftsfotograf”. Und er mag Wüsten. Weite Räume. Endlose Perspektiven. Die “lost spaces”, die er erreist hat, sind solche Gebiete – da, wo niemand sonst ist. Vier Kontinente hat er dafür bereits. Vermutlich ist “Didi” einfach nur ein Abenteurer – einer, der es anders als die anderen machen, der neue Wege gehen will. In früheren Zeiten wäre er vermutlich zur See gefahren und hätte unbekannte Welten entdeckt oder er wäre ein Flugpionier geworden. Heute reist er in die Geschichte zurück. Schicksal. Zeit. Verlorenheit. Wunder. Dietmar Eckell reist extrem und zu Extremen der Geschichte. Die Welt ist ganz überwiegend entdeckt – und doch nicht. Das zeigen die Fotos von Dietmar Eckell. Ob eine Brücke irgendwo in Asien, ein abgestürzter Flieger in Mexiko, eine Eisenbahnlinie ins Nichts in Australien oder der Rest einer “Chicken-Church” in Indonesien. Es kommt auf die Perspektive an und den Willen, diese zu “erfahren”. Persönlich. Durchdacht. Geplant. Und mit Glück: „Dieses Foto am Strand von Mexico mit dem Flugzeug – das war ein lucky shot. Alles stimmte.“

Enorme Anstrengung
Was man auf den Fotos nicht sieht, sind enorme Anstrengungen, um diese Fotos machen zu können. Lange Reisen, Tage um Tage vor Ort zu sein, damit Licht und Situation “stimmen” – also dem Künstler gefallen, das hergeben, was er will. Denn die Natur, das Wetter, das Licht sind nicht manipulierbar. Und teils ist er mehrfach an denselben Ort gereist – weil er “falsch” geplant hatte. Falsch ist falsch ausgedrückt – erst durch die Reise hat er gelernt und weitere Informationen erhalten, die er verarbeitet und wenn er zu dem Schluss kommt, das er nicht das Foto gemacht hat, das er machen will, dann reist er nochmal: „Dieser Flieger liegt im Wasser. Ungefähr einen Meter unter der Oberfläche, je nach Gezeiten. Aber Gezeiten sind nicht immer gleich, manchmal sinkt das Wasser auf 40 Zentimeter. Das wusste ich nicht, das schaue ich mir noch mal an.“ Denn dann kommt der mystische Flieger, den man nur an den Konturen erkennt, aus dem Wasser. „Die Schönheit des Verfalls ist einzigartig“, sagt Dietmar Eckell. Seine knallblauen Augen strahlen, wenn er erzählt, dass die Natur sich ihren Raum zurückholt, wo Technik eingedrungen ist. Wenn er davon erzählt, was sich Menschen als Projekte ausgedacht haben, mit “unglaublichen Anstrengungen” und mit “viel Geld”, die dann als “stairway to nowhere” mitten in der Landschaft liegen, wie eine nie fertig gestellte Eisenbahnlinie durch Australien oder eine Brücke in Asien. Und aus “nowhere” wird aktuell ein “now here” – im Jungbusch.

Fotos der Menschheitsgeschichte
Der Landschaftsfotograf Dietmar Eckell verführt die Betrachter seiner Bilder in abgelegenste Ecken dieser Welt von atemberaubender Schönheit. In der Menschen “Zeichen gesetzt haben” – ob als abgestürztes Flugzeug, als verfallene Kirche oder Brücke oder Bahntrasse. Dietmar Eckell zeigt in seinen Fotos Menschheitsgeschichte, Wege, Irrwege, Abstürze, Ruinen – Eroberergeschichten, die auch immer Geschichten des Scheiterns sind. Beispielsweise auch eine Sportschanze im ehemaligen Jugoslawien: „Hier wurden Weltrekorde erzielt und Medaillen gewonnen und hier hat ein fürchterlicher Krieg mitten in Europa stattgefunden.“

Es sind Fotos, die Wege festhalten – die der Natur und die der Menschen. Seine Perspektiven, seine Kontrastierung, sein Ausdruck – all das ist vollständig faszinierend. Dietmar Eckell ist ein Weltreisender mit Tiefgang und über seine Fotos beeindruckt er die Betrachter, indem er sie mitnimmt auf seine Reisen. Es ist ein Erlebnis. Die Empathie seiner Bilder ist berauschend – eine Feinfühligkeit, die man nur erreicht, wenn man sich über den Abstand bewusst ist und die Nähe sucht. Egal, wie anstrengend das auch sein mag. “Restwert” ist ein großartiges Wort um diese Arbeit zu beschreiben. Was bleibt, was hat Wert? Was lässt sich wie verwerten? Große Kunst eben. Als Marketing-Experte will er Geld für sein Projekt einsammeln: 4.000 Dollar ist das Ziel. Fast 60.000 Dollar erlöst er. Weil er viele vom Wert seiner Idee überzeugen kann.

Dietmar Eckell ist ein Werbetreibender, der seinen Job gekündigt hat, um neu anzufangen. Werbend und treibend. Sein Thema ist Leidenschaft. Ganz romantisch. Am Ende der Welt bleibt nur die Ruine, der Absturz – und die Geschichte, die es dazu zu entdecken gibt. Damit fängt es wieder von vorne an. Das ist die Natur der Geschichte.

Schauen Sie sich die Fotos an und gehen Sie auf die Reise.