Schlafende Menschen, sterbende Fische

Bei "97m überm Meer" stellen freie Theatergruppen im TiG7 und bei zeitraumexit in Mannheim ihre neuen Projekte vor

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Die Rheinpfalz

Zum vierten Mal hatten freie Künstler aus der Region Gelegenheit, sich beider gemeinsamen Veranstaltung„ 97 Meter überm Meer“ von Theaterhaus TiG7 und Künstlerhaus zeitraumexit in Mannheim zu präsentieren.
Wieder erstreckte sich die Veranstaltung in den beiden Häusern bis spät in den Abend.
Mannheim liegt 97 Meter über dem Meer, und diese Lage hat der Veranstaltung ihren Namen gegeben. Diesmal begab sie sich zu Beginn jedoch auf die Höhe des Meeresspiegels, symbolisch zumindest. Der Shantychor "Die Neckarmöwen" sang zur Eröffnung im Hof des TiG7 zünftige Seemannslieder. Der gemischte Chor aus der Neckarstadt ließ durch sein hohes Durchschnittsalter die Nachwuchssorgen, die Chöre allgemein plagen, sehr anschaulich werden. Sehr jung hingegen waren viele der übrigen Künstler und der Zuschauer. 84 Plätze
hat das TiG7. Ginge es allein nach der Kartennachfrage, hätten die Veranstalter den Abend ohne weiteres tagsdarauf noch einmal anbieten können. Thematisch ging es um den Schlaf und das Erwachen. Das Augenblick-Theater zeigte einen Ausschnitt aus seiner neuen Produktion „Kalte Herzen 2113“. In einer fantastischen Zukunft nehmen die Menschen Pillen, um in Winterschlaf zu fallen und so
die Umwelt zu schonen. Den Titel „Winterschlaf“ hatte dann auch das Projekt von Tanja Wolf, die bei völliger Dunkelheit eine Erzählung der Italienerin Dacia Maraini über eine verschlafene Frau, die sich in Träume flüchtet, vortrug.
Bernhard Wadle-Rohe, einziger Teilnehmer aus Ludwigshafen, brachte mit der Gruppe "Noyplugged" Wolfgang Borcherts Erzählung „Der Kaffee ist undefinierbar“ auf die Bühne. Wie stets bei Borchert geht es um unbewältigte traumatische Kriegserlebnisse.
Die Schauspielerin Monika Margret Steger plauderte aus dem Stegreif über allerlei Krimskrams, den sie beim Aufräumen gefunden hat.
Aber eindeutig die beste Vorstellung im TiG 7 boten Renelde Pierlot und Rahil Golsar mit „Frühlingserwachen“. Auf Persisch und Deutsch
machten sie die Wunden, die die Diktaturen im Iran den Seelen geschlagen haben, und die Sehnsucht der Menschen nach Freiheit deutlich.
Das Programm bei zeitraumexit in der Hafenstraße war entsprechend dessen Ausrichtung auf Tanz und Performance ausgerichtet. Das Nostos Tanztheater stellte akrobatisch die Frage nach dem rechten Leben, die Theaterakademie setzte Körperkontrolle und Kontrollverlust in Szene, und die Theater-Performance-Gruppe Rampig stellte erste Szenen seiner neuen Produktion nach Kafkas Roman
„Das Schloss“ vor. Vollständig wird sie ab Herbst zu sehen sein.
Die verstörendste Vorstellung bot jedoch die Performancekünstlerin Johanna Baumgärtel. Sie ließ das Wasser aus einem Glas, in dem ein Goldfisch schwamm, langsam in ein Bassin ablaufen, nahm immer wieder einen Mund voll Wasser von dem Strahl und bot ihn küssend Zuschauern an. Der Fisch, dem nach und nach das Lebenselixier entzogen wurde, reagierte zunehmend panisch. Endlich fasste sich eine Frau unter den etwa 100 Zuschauern ein Herz und rettete ihm das Leben. „Verkopft“ nennt Johanna Baumgärtel ihre Vorstellung.