outside the box

Kunst und Öffentlichkeit

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outside the box | November 2013 - Juni 2014

Die Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Öffentlichkeit
Wie das Axolotl nur im Xochimilco-See von Mexiko-Stadt zu finden ist, so ist auch Komuna Warszawa einzig in Warschau zu Hause oder das Het Veem Theater in Amsterdam. Sie haben sich aus einem ganz bestimmten Grund dort angesiedelt, haben sich mehr oder weniger gut an die Lebensbedingungen vor Ort angepasst, sind symbiotische Beziehungen eingegangen und ‚leben‘ in ihrem Habitat in Gesellschaft von Nutznießern und Fressfeinden. Outside the box ist ein Rechercheprojekt, das die Lebensbedingungen und Lebensräume von Kunstorten untersucht. Welche Funktion und Aufgabe hat Kanuti Gildi SAAL in Tallinn? Welche komplexen Interaktionen finden zwischen dem Forum Freies Theater und den Düsseldorfer Politikern statt? Wie profitieren die Mannheimer von zeitraumexit? Welchen Beitrag leistet das Grand Theatre zur Atmosphäre in Groningen? outside the box geht hinaus aus dem abgeschlossenen Kunstraum, aus Black Box und White Cube, und nimmt den Kunstort in seiner Einbettung in eine bestimmte Zeit, einen bestimmten Ort, in einen bestimmten gesellschaftlichen und politischen Mikrokosmos in den Blick.


Jeder der sechs beteiligten Kunstorte ist einmal Gast und einmal Gastgeber. Mit einem Team reist der Gast quer durch Europa zu seinem Gastgeber und führt gemeinsam mit den Menschen vor Ort, die als Publikum, als Förderer, als Passanten, als Anwohner, als Politiker, als Kritiker mit dem Kunstort verbunden sind Recherchen über seinen Gastgeber durch; er betreibt sozusagen Feldforschungen über einen Organismus in seinem natürlichen Habitat. Die Forschungsergebnisse – Proben, Kunstgegenstände, Zeichnungen, Notizen, Dokumente, Führer durch den Stadtdschungel, Anweisungen dafür, wie man sich im kulturpolitischen Sektor bewegt, Karten für Utopie Projekte – werden unter anderem in Seekisten gesammelt und auf dem Markt in Mannheim im Juni 2014 präsentiert. In Zusammenarbeit mit Studenten des Masterstudiengangs Choreographie und Performance am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft der Universität Gießen werden die Ergebnisse auch auf einer virtuellen Forschungsplattform - platform.otb-research.com – präsentiert. 


Zu den Lebensbedingungen eines Kunstortes gehören auch die gesellschaftlichen und politischen Umstände, unter denen zeitgenössische Kunst in einer Kunstinstitution produziert wird, und die im europäischen Vergleich überraschend ähnlich sind. Kunstschaffende wie Kulturmanager leben heute in Projekten, die sie zuerst konzipieren, für die sie dann Geld beantragen und nach erfolgreichem Antragsverfahren in einer gewissen Zeit umsetzen. Die Begrenztheit der Projekte in Bezug auf Zeit und Geld schafft einen Produktionsdruck und einen Zwang, sich permanent neu zu erfinden und dabei doch eine arbeitsfähige Stabilität beizubehalten, die die Kulturbranche zur Vorreiterin des flexiblen Menschen und prekärer Arbeitsverhältnisse macht. Die Versuchsanordnung von outside the box soll zumindest partiell diese dem Kulturbetrieb inhärenten Bedingungen unterlaufen, um temporär die Aufmerksamkeit auf kleinste Unterschiede verschiedener Organismen zu lenken. Die Unterschiede in der Art und Weise wie Kunstorte lebendig werden, verdeutlichen unterschiedliche kulturelle und politische Bedingungen und heben die Positionen der Künstler hervor.


Wir sind froh, in unseren Förderern, insbesondere in der Kulturstiftung des Bundes Ermöglicher gefunden zu haben, die es akzeptieren, dass die Recherchen ergebnisoffen sind. Wir können im Moment nicht sagen, ob Het Vem auf die Existenzbedingungen des FFT Düsseldorf mit einer Performance reagieren wird, mit dem Bau eines römischen Bades, in dem Politiker und Künstler gemeinsam diskutieren, oder mit dem Bau eines einladenden Eingangsportals.


Der Markt
Diese Ergebnisoffenheit erzeugt Freiheit. Dem Produktionsdruck begegnen wir, indem wir auf dem Markt – dem Abschlussfestival im Juni 2014 – keine fertigen Produkte abliefern. Ganz in der Tradition der Konzeptkunst genügen uns Ideen, Skizzen, Beta-Versionen, Test-Läufe, Modelle, Gebrauchsanleitungen, die eine eigene ästhetische Qualität entfalten und die wir mitnehmen und zu Hause verwirklichen oder weiter entwickeln können, wenn sie uns gefallen. Wir möchten uns in dem Projekt weniger wieder einmal selbst komplett neu erfinden, als vielmehr genau hinschauen, was wir sind, zu diesem bestimmten Zeitpunkt, in diesem bestimmten Milieu, in diesem Kulturbetrieb, in dieser Stadt, mit diesen Menschen als Wegbegleitern. Wir wollen Wissen weiter geben, Erfahrungen und Expertise teilen, die der Gast mitbringt zum Gastgeber, und die auf dem Markt allen zur Verfügung gestellt wird. Der Geist des Projektes ist geprägt von Neugier, Offenheit und Großzügigkeit.


Kooperation von Kunst und Wissenschaft
Gearbeitet wird an der Reflexion der eigenen Institutionalisierung, auch gemeinsam mit dem Institut für Angewandte Theaterwissenschaft der Universität Gießen. Studierende des Masterprogramms »Choreographie und Performance« werden sich an den Recherchen vor Ort beteiligen. Durch ihren spezifischen Ausbildungshintergrund, angesiedelt zwischen theoretisch-kritischer Reflexion und Tanz- und Theater-Praxis, bringen sie das Interesse und die Fähigkeit mit, Performance und Choreographie über den Ort der Kunst hinaus in politische und soziale Räume hinein zu denken. Den Projektteams stehen somit externe Mitstreiter zur Seite, die den Rechercheprozess aktiv begleiten und an zeitgenössische Diskurse rückkoppeln werden. Die gesammelten Erfahrungen, Beobachtungen und Erkenntnisse werden im Anschluss an die Recherchephase ausgewertet, zusammengefasst und im Rahmen des Marktes im Juni in Mannheim präsentiert.


In Kürze mehr Informationen unter www.otb-research.com


kontakt
zeitraumexit
Hafenstraße 68 / 68159 Mannheim / Deutschland
Telefon: +49 (0)621 33939755
Fax: +49 (0)621 37098-32
E-Mail: isabella.kessel [at] zeitraumexit.de (isabella[dot]kessel[at]zeitraumexit[dot]de)
Projektleitung: Isabella Kessel

 

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