Die Erotik der Stimme

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Mannheimer Morgen

Hörspiele in zeitraum_ex!t
Immer wieder sieht er anders aus, der Hauptraum von zeitraum_ex!t, Büro für Kunst, in der Neckarstadt. Diesmal hatte einer der vier Mitorganisatoren, Tilo Schwarz, den Raum in verschiedenfarbiges Licht getaucht, in das sich die Besucher entspannt zurückfallen lassen konnten, um sich 90 Minuten lang ganz dem Hören zu widmen. Längst gibt es eine Renaissance des Hörspiels, und so versuchten der gebürtige Berliner Robert Schoen als Hörspiel-DJ und die Autorin Ina Kleine-Wiskott aus Frankfurt das Publikum zum gemeinsamen Hören anzustiften, das anderswo schon Kult ist.
Den Anfang machte Robert Schoen, der vergnügliche, absurde und nachdenkliche kleine Stücke präsentierte, die er aus dem Radio aufgenommen hatte wie etwa den unglaublichen „Seewetterbericht“, der durch seine langen Pausen fast ein Stück absurdes Theater wurde. Aber auch „echte“ und sehr skurrile Hörspiele kamen zu Gehör wie „Verkommenes Ufer“ von Heiner Goebbels, der 1984 einen an sich kaum verständlichen Text von Heiner Müller („Medeamaterial“) von Berliner Passanten auf der Straße lesen und damit noch weiter verfremden ließ.
Köstlich und jenseits des Kunstbereichs das Hörstück von A. Goddard aus Kansas, der liebevoll seinen Großvater zu den Themen Landwirtschaft und künstliche Besamung erzählen ließ, wobei er gleichzeitig durch Sampling auf die musikalischen Qualitäten der Stimme des alten Mannes aufmerksam machte. Mit Ina Kleine-Wiskott preisgekröntem Stück „Nächster Halt“ von 2003 kam die deutsche Synchron-Sprecherin von Marilyn Monroe zu Wort, die auch die Stationen der Frankfurter Verkehrsbetriebe ansagt. Die Autorin schnitt sie mit den Sätzen eines Hörsüchtigen zusammen, der wegen dieser erotischen Stimme immerzu U-Bahn fährt ... Fazit: Es ist ganz einfach, Hör-Junkie zu werden!

Susanne Kaeppele

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